Wenn man uns als Eltern in eine Schublade stecken wollen würde, wäre es wohl die "Attachment Parenting" Schublade. Oberflächlich betrachtet heißt das: wir nutzen ein Tragetuch, Oscar schläft im Familienbett, und ich stille. Natürlich muss man dies nicht tun, um ein "Attachment Parent" zu sein. Es hilft aber ungemein. Denn eigentlich heißt es nur, eine enge Bindung zu seinem Kind zu haben.
Als ich letztens mit einer Bekannten unterwegs war, gab es einen Zwischenfall zwischen ihr und ihrem Sohn. Die genauen Details möchte ich nicht teilen. Doch was mir am Ende wirklich das Herz brach war, dass ihr Kind weinend vor ihr stand und umarmt werden wollte. Sie verweigerte ihm aber genau diese Umarmung, bis er sich entschuldigte. "Love withdrawal" (Entziehung der Liebe) ist eine Art von bedingter Liebe: "ich liebe dich nur, wenn du auf mich hörst und dich entschuldigst".
Wir versuchen eine Bindung zwischen uns und Oscar aufzubauen, die auf Vertrauen basiert. Ich möchte, dass er immer das Gefühl hat, egal wie schlecht die Welt auch zu ihm war, egal was er vielleicht angestellt hat, in unseren Armen wird er immer Trost finden. Wir werden bei ihm stehen und ihn lieben.
Nach besagter Geburtstagsparty überlegte ich und mir fiel auf, wie bei uns eigentlich die meisten Tage komplett ohne "Trotzanfälle" vorübergehen. Meist gibt es diese Trotzanfälle an den Tagen, an denen wir auch nicht gut drauf sind und wenn Oscar langsam müde wird. So etwas spiegelt sich ja oft beim Kind wider. Die seltenen Trotzanfälle werden hier nicht belächelt, ignoriert und schon gar nicht fotografiert (und vielleicht noch ins Netz gestellt).
Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass es bei uns auch nie solche Ausmaße annimmt (auf den Boden werfen, schreien und beissen, ... ). Meist kommt Oscar aus so einem "Anfall" (ich kann es schon kaum so nennen, weil wir es wirklich noch nie so extrem hatten, dass ich es einen Anfall nennen wollen würde) in wenigen Sekunden wieder raus. Außerdem sind diese Wutanfälle wichtig für die Entwicklung ihrer Gehirne - WIE wir mit diesem Anfall umgehen übrigens auch. So ein Trotzanfall ist nichts anderes als das Ausleben von Emotionen, die sie erst noch erleben, erforschen und kennenlernen müssen. Kein Kind ist von Natur aus böse, wie einige zu meinen scheinen.
Respekt spielt so eine wichtige Rolle in der Erziehung und ich glaube viel zu wenige Eltern geben ihren Kindern den Respekt, den sie verdienen.
An den meisten Tagen fällt mir diese Erziehung sehr leicht und es gibt Tage, da fällt es mir schwerer.
Vor ein paar Wochen verbrachte ich 10 Minuten im Hausflur einer Freundin und redete mit Oscar darüber warum er den Traktor seines Freundes nicht mitnehmen könne. Wir sprachen darüber wie sehr Oscar der Traktor gefiel, was ihm daran gefiel. Wir sprachen darüber, dass sein Freund sicher traurig wäre, wenn er nicht mehr mit dem Traktor spielen könnte. Wie sich Oscar fühlen würde, wenn sein Freund eines seiner Spielzeuge einfach mitnehmen würde. Wir sprachen darüber, dass wir ja bald wieder zum Spielen kommen könnten und er dann wieder mit dem Traktor spielen könnte - bis dahin könnte sein Freund gut auf den Traktor aufpassen. Ich gab ihm die Möglichkeit den Traktor seinem Freund zu geben, oder auch gern der Mama oder ihn vielleicht einfach wieder dorthin zu stellen, wo er ihn her hatte. Versicherte ihm, dass ich verstehe, wie schwer es für ihn sein muss den Traktor hier zu lassen, weil er ihn so gern mag. Und erinnerte ihn, dass wir den Traktor aber wirklich nicht mitnehmen könnten, da er seinem Freund gehöre und dieser wirklich traurig wäre. So ging es hin und her - und nach gefühlten 3 Stunden stellte Oscar den Traktor dorthin wo er ihn gefunden hatte und sein Freund sagte, er könnte jederzeit wiederkommen und mit dem Traktor spielen. Die Mutter von Oscar's Freund kommentierte danach, wie ruhig ich die ganze Zeit geblieben bin und das viele Mütter einfach das Spielzeug aus der Hand gerissen hätten und mit einem schreienden Kind nach Hause gefahren wären.
Natürlich verläuft das Ganze nicht immer so rosig. Heute waren wir in einem Spielzeugladen und Oscar wollte und wollte einen Traktor, den ich ihm nicht kaufen wollte (er hat genug und sowieso, ich kann ihm nicht immer etwas kaufen wenn wir ausgehen?!), nicht wieder zurücklegen. Wir redeten wieder hin und her. Vielleicht war es, weil es dieses Mal keinen Freund gab, der traurig wäre. Ich weiss es nicht. Jedoch wollte er den Traktor nicht zurücklegen und nach 15 Minuten nahm ich ihm den Traktor schweren Herzens aus der Hand und stellte ihn auf das Regal. Oscar weinte und ich entschuldigte mich. Ich nahm ihm in den Arm und redete während wir das Geschäft verliessen darüber. Trotzdem artete die Situation nicht aus und bevor wir das Geschäft verlassen hatten, ging es ihm schon wieder besser.
Letztendlich sind wir alle nicht perfekt und das ist auch okay so. Wir haben alle mal Ausbrüche und ich finde es auch wichtig, diese unseren Kindern zu zeigen. "Ich bin nicht perfekt und du musst es auch nicht sein. Ich liebe dich so wie du bist."
Jetzt ist dieser Beitrag doch viel länger geworden und ich habe nicht einmal die Hälfte von dem gesagt, was ich sagen wollte. Ich lege jedoch allen, die etwas Neugierig geworden sind, das Buch "Unconditional Parenting - Moving from Rewards to Punishments to Love and Affection" von Alfie Kohn an's Herz. Soweit ich weiß, gibt es auch eine deutsche Fassung.